Von der ganz und gar ungeplanten Teilnahme an einer internationalen Rallye

Am Dienstag, dem 20. März 2018 erhielt ich von meinem Oldtimerfreund Bernhard Stein abends gegen 19 Uhr einen Anruf: „Hast Du Zeit und Lust, die Coppa zu fahren? Mein Fahrer bei der Rallye, Marc Kistemann, hat eben abgesagt, weil die Bremsen an seinem Wagen bei einer letzten Probefahrt ausgefallen sind und die Ersatzteile bis morgen nicht beschafft werden können. Und morgen soll es losgehen.“

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„Das versuche ich hinzubekommen! Ich melde mich wieder.“ Zuerst mit Gattin Silvia die Sache beraten, dann alle Termine verlegt und sofort zum Wagen um ihn vorzubereiten. Oh Schreck, da war dann doch noch einiges zu machen. Ein Blinker wollte absolut nicht mehr, da wurde mir schnellste nächtliche Nothilfe durch Ralph Emonts-Gast geleistet, einfach toll.

So konnten wir tatsächlich am nächsten Nachmittag losfahren, eine der wohl schwierigsten Oldtimerrallyes vor Augen. Bei der Papierabnahme wurden wir dann gefragt, ob wir wirklich in der Superklasse starten. Ja, wir wollen! Bernhard Stein hatte letztes Jahr mit Marc Kistemann die Sportklasse gewonnen und daher dieses Mal die Superklasse genannt. Aber ich war bei der Coppa d’Europa noch nie dabei gewesen! Bei anderen großen Oldtimerfahrten wie der Vorderpfalz-Classic, der Südwest-Classic, der Westfälischen Herbstfahrt und der Limburgia-Trophaeum hatte ich zwar schon einige Erfahrungen sammeln können. Aber nun kamen wir hier in der Superklasse mit Spitzenleuten zusammen für die wir beide Neulinge waren, Kanonenfutter eben.

Die Rallye begann am Donnerstagmorgen, wir hatten Start-Nr. 4. Das Wetter konnte kaum schlechter sein, starker Schneefall. Für solche Bedingungen ist der tiefliegende 1968er Triumph nicht gebaut worden und dann der ständige Kampf mit den stets beschlagenen Scheiben. Da hatten andere Teilnehmer es in ihren zum Teil wesentlich jüngeren Fahrzeugen mit gutem Belüftungssystem bzw. funktionierender Heizung oder gar Klimaanlage doch etwas leichter. Der Triumph - mit seinen zum Glück Alljahresreifen -hatte noch keine Winterrallye erlebt, während andere mit nagelneuen Winter-Rallyereifen unterwegs waren.

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Bei Val Dieu die erste von 13 Wertungsprüfungen (WP). Alle WPs größtenteils mit Selbststart zu einem vorgegebenen Zeitpunkt, stets mit 50er Schnitt auf kleinsten Wegen, einer Länge von bis zu 20 Kilometern und ein bis zwei geheimen Zeitnahmen. Welche Freude, wenn man am zuvor unbekannten Ende der WP den Zeiteintrag bekommt. Das war der Beweis, dass man den richtigen Weg gefunden hatte. Bei den allgemein sehr schwierigen Orientierungsaufgaben war das nicht selbstverständlich. Also nie trödeln, immer am Ball bleiben, damit man die nächste Zeitkontrolle oder den nächsten Start in der vorgegebenen Zeit erreicht.

Im Hohen Venn bekamen wir dann tatsächlich auf den stark verschneiten kleinen Feldwegen erhebliche Zeitprobleme. Mit der Start Nr. 4 waren wir zeitweise vorne weg unterwegs und mussten die noch nicht geräumten Wege quasi freifahren. Da wir kein Risiko eingehen wollten, sind wir defensiv gefahren und ließen unterwegs einige wintertauglichere Fahrzeuge vor. Bei der ersten Zeitkontrolle in Rohren bei Monschau hatten wir so eine 4-minütigen Verspätung. Aber egal, besser zu spät, als im Graben zu landen.

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Die Straßen im Rurtal waren dann schneefrei, sodass wir zügig Richtung Nürburgring weiterfahren konnten. Zuvor gab es aber bei Bad Münstereifel noch eine Wertungsprüfung, die uns erhebliche Probleme bereiten sollte. Für den Selbststart einer WP gibt es klare Zeitvorgaben, z.B. 30 Minuten nach der letzten Zeitkontrolle. Wir hatten aber das Pech, dass bei dieser letzten Zeitkontrolle wegen Verspätungen drei Autos in der gleichen Minute ankamen und insofern diese drei Fahrzeuge am Selbststart der WP auch gleichzeitig abfahren mussten. Wir standen dort als Zweite in der Reihe. Als dann der Sekundenzeiger auf Null sprang, machte der dritte Fahrer einen Kavalierstart und überholte uns und den ersten Wagen auf der engen Straße. Glück gehabt, es gab keinen Unfall. Aber jetzt waren drei Autos direkt hintereinander auf engsten Wegen unterwegs, um möglichst zur richtigen Zeit die Kontrollpunkte zu erreichen.

ja und dann sind wir alle dem Herdentrieb verfallen. Die nach Karte kürzeste Strecke war für Kraftfahrzeuge gesperrt, was wir nicht schnell genug sahen… Der erste Wagen fuhr da hinein und alle hinterher… Wir hätten nicht diesen, sondern den nächsten Weg nehmen müssen, der war nicht gesperrt. Ehe wir dann aus diesem Weg wieder raus waren, war einige Zeit verloren und die Nerven waren natürlich am Flattern. So erzielten wir in dieser WP unser schlechtestes Ergebnis mit 34 Sekunden Differenz. Alle anderen Wertungsprüfungen sind wir mit null bis fünf Sekunden Differenz gefahren.

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Nachmittags ging es vom Nürburgring nach rund 470 Kilometern zum Tagesziel in Weinheim/Bergstr. bei Heidelberg. Am zweiten Tag fand die Mittagpause in Rothenburg ob der Tauber statt und wurde nach 460 Kilometern Rothenburg ob der Tauber als Ziel erreicht. Am dritten Tag ging es durch den Bayrischen Wald auf über 1000 Meter Höhe an belebten Skipisten vorbei nach Tschechien hinein. Im Böhmerwald ging es über kleinste, vielfach wieder schneebedeckte und teilweise vereiste Waldstraßen, bei denen das ganze Können der Fahrer gefordert war. Ich wollte teilweise gar nicht glauben, wo mein Beifahrer mich immer hinschickte. „Wenn wir da reinfahren, kommen wir nie mehr raus!“ Aber es stimmte immer. Nach 420 Kilometern war das Tages- und Gesamtziel in Budweis erreicht.

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Insgesamt nahmen rund 90 Fahrzeuge teil, die auf den überwiegend kleinen Nebenstrecken in drei Tagen rund 1.350 Kilometer zurücklegen mussten. Bei einem Schnitt von 50 Km/h entspricht dies einer Fahrzeit von 27 Stunden, für Fahrer und Beifahrer, aber auch für die alten Fahrzeuge eine echte Herausforderung. Das Teilnehmerfeld war von Norwegen bis zur Schweiz international besetzt. Das älteste Fahrzeug, ein Triumph TR 2 aus dem Jahr 1952 wurde von einem englischen Team gefahren.

Bei diesen Strapazen verwundert es nicht, dass einige der alten Fahrzeuge wegen technischer Probleme ausfielen. Ein Fahrzeug war sogar in einer vereisten Kurve in den tief verschneiten Graben gerutscht, konnte aber durch einen zu Hilfe kommenden Traktorfahrer herausgezogen werden. Das Team konnte so ohne Schäden am Fahrzeug wieder weiterfahren. Dass sonst nichts passiert ist, belegt die Umsichtigkeit der Fahrer im Umgang mit ihren Oldtimern.

Während wir am ersten und zweiten Tag noch auf dem sechsten Platz gelegen hatten, sind wir am dritten Tag auf den siebten Platz gerutscht. Dies liegt an dem besonderen Wertungssystem, wonach die schlechteste WP gestrichen wird. So kam es, dass wir zwei Teams plötzlich vor uns hatten, die jeweils 150 Punkte für deren schlechteste WP gestrichen bekommen hatten. Eins dieser beiden Teams hatte sich in einer WP in Tschechien verfahren und war von uns freundlicherweise vorbeigelassen worden, sonst hätten sie diese WP auch noch versemmelt. Andererseits überrundeten wir durch die Streichregelung das vor uns liegende Mutter-und-Tochter-Team Wurth, da deren schlechteste WP nur elf Punkte und unsere schlechteste WP 34 Punkte ausmachte.

Insgesamt ist dies wohl ein starkes Ergebnis für uns beiden Neulinge in der Superklasse, der 7. Platz von 23 angekommenen Teams in diesem starken Teilnehmerfeld. Und Hans Keller aus Aachen landete auf dem elften Platz, also 4 Plätze hinter uns. Wenn das kein Grund zum Feiern war! So waren wir mit bei den allerletzten, die in der Nacht nach der Siegerehrung den Festsaal verließen.

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Die rund 800 Kilometer Heimfahrt am nächsten Tag waren schon fast Routine. Der Triumph schnurrte über die Autobahn, dass es eine Freude war.

Rainer Keuser

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