Rainer Keuser mit seinem 1968er Triumph TR 250 als Fahrer und Bernhard Stein als Beifahrer hatten sich vorgenommen, gemeinsam an der Süd-West Classic in Balingen teilzunehmen. Diese Fahrt ist eine von neun Oldtimerveranstaltungen, die zur DCS, der Deutschen-Classic-Serie, zählen. Insofern war klar, dass man hier Teilnehmer antreffen würde, die zu den Besten der deutschen Szene zählen. Hinzu kommt, dass diese Fahrt allgemein schon als "speziell schwierig" bekannt ist. Es gibt zwar unterschiedliche Altersklassen der Fahrzeuge, aber keine Unterschiede nach Kategorien (Sport, Tourensport, Touristik o.a.). Alle mussten die gleichen Aufgaben absolvieren, wobei manche voll ausgestatteten neuzeitlichen Fahrzeuge mit hoher PS-Zahl älteren Fahrzeugen gegenüber deutlich im Vorteil waren. Zugelassen waren Fahrzeuge bis Baujahr 1986.

Morgens war Startaufstellung auf dem Balinger Marktplatz und wir konnten u.a. die Rallye-Ausstattung in den Teilnehmer-Fahrzeugen staunend bewundern. Dagegen war unsere Ausstattung schon ziemlich spärlich. Man schaue nur einmal auf Facebook bei Hans Keller nach, der dort auf der Anreise nach Balingen ein Foto des Cockpits hinterlegt hat. Es blieb aber nicht viel Zeit für solche Gedanken, das Bordbuch beschäftigte uns doch ziemlich stark. Die dort geforderten Aufgaben waren für uns Neuland und so mussten wir uns intensiv damit auseinandersetzen. Es waren 13 Sonderprüfungen und 1 Naviprüfung vorgesehen. Die Strecke bestand sowohl aus Chinesen als auch aus Kartenaufgaben.

Bei SP 1 waren 4 Lichtschranken zu durchfahren, die erste nach 1.040 Metern und 107 Sekunden, die zweite 60 Meter und sechs Sekunden nach der ersten, die dritte 1.600 Meter und 164 Sekunden ab Start und die vierte 1.660 Meter und 150 Sekunden ab Start. Man musste also die erste und dritte Lichtschranke so sauber und mit Schwung anfahren, dass man die zweite und vierte Lichtschranke rechtzeitig erwischte. Fahrzeuge mit großen Leistungsreserven hatten es da einfacher...

SP 2 bestand dann aus einer GLP mit fünf Schnittwechseln über 12.500 Meter auf Feldwegen mit Chinesen und vier geheimen Lichtschranken. Laut Fahrtbeschreibung sollte hier Schluß mit Lustig sein, so war es dann auch.... Spätestens jetzt war uns klar, was uns blühen würde.

Aber es sollte noch schlimmer kommen: Für SP 4 mit 14.210 Metern Länge waren gar keine Schnitte angegeben, hier stand nur die Angabe "Bennimäßigkeit" (Schnitttabellen,  die Schnittwechsel beinhalten). Beigefügt war eine Schnitttabelle, die lediglich alle 100 Meter die bis dahin zu fahrende Zeit anzeigte. Durch Vergleiche mit unseren Schnitttabellen konnte man insgesamt einen 43er Schnitt erkennen. Allerdings gab es Zwischenzeiten, die nicht auf diesen Schnitt passten. Klar, dass die vier geheimen Lichtschranken natürlich an solchen Stellen standen, an denen wir sie gar nicht brauchen konnten.

Als ob das noch nicht schlimm genug gewesen wäre, gab es noch zwei weitere SPs mit Bennimäßigkeit, bei denen aber die Schnitttabellen mal nach 100 Metern und mal nach 150 Metern die Zeiten vorgaben. Und hier waren noch mehr Schnittwechsel enthalten, sodass man irgendwann den Überblick verlor, wie schnell man denn nun eigentlich momentan fahren musste. Jetzt war uns klar, weshalb die anderen Teilnehmer ihre Bordcomputer oder was auch immer sie für Geräte hatten, morgens mit den ganzen Zahlenwerken der verschiedenen Sonderprüfungen gefüttert hatten. Wir aber waren mit einem Auto und mit Material aus der "Steinzeit" unterwegs...

Ein Lichtblick war für uns dann die sogenannte Naviprüfung, eine Orientierungsetappe nach Karte. Als Besonderheit hatte man hier verschiedene Kreuzungen mit Nummern versehen und es war textlich vorgegeben, aus welchen Himmelsrichtungen man die Kreuzungen anfahren und in welche Himmelsrichtungen man sie verlassen musste. Eine interessante Aufgabe, die vielleicht dem ein oder anderen Lichtschrankenspezialisten schwer fiel, uns aber nicht.

Die zwei Tage waren schon sehr anstrengend und wir genossen daher um so mehr den Abschlussabend, der von dem EM-Fußballkrimi zwischen Deutschland und Italien gekrönt wurde. Das Ergebnis könnte zwar besser sein, aber wir haben zumindest viel an Erfahrungen gewonnen: Platz 6 in der Klasse G bei 14 Teilnehmern und insgesamt Platz 26 von 59 in Wertung, gestartet waren laut Teilnehmerliste 64 Fahrzeuge. Der Aachener Hans Keller wurde 3. in der Klasse I und 6. in der Gesamtwertung.

Bernhard Stein

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